Kommunen blühen auf

Struktur­verbesserung für mehr Bio­diversität im Siedlungs­bereich

Das massive Artensterben schreitet weiter voran. Ein unglaublicher Artenschatz von ideellem und konkretem wirtschaftlichen Wert geht für immer verloren. Insekten besitzen als Bestäuber eine Schlüsselrolle in diversen Ökosystemen, deren Funktion ohne sie zusammenbrechen wird. Gleichzeitig bilden Insekten die Nahrungsgrundlage für unzählige Tierarten. Die direkten, verheerenden Auswirkung ihres Rückgangs sind hier schon deutlich sichtbar: Die Zahl der insektenfressenden Vögel hat im gleichen Zeitraum noch dramatischer abgenommen als die der anderen Vogelarten.

Woran es den Insekten und anderen Tierarten mangelt, ist Nahrung und Lebensraum. Im Siedlungsbereich finden sich, im Gegensatz zur häufig wenig strukturierten Kulturlandschaft außerhalb der Orte, kleinteilige Lebensräume, von denen viele Tier- und Pflanzenarten profitieren können. Häufig bleibt jedoch viel potentieller Lebensraum ungenutzt. Verkehrsrestflächen wie Randstreifen und Verkehrsinseln sowie Grünflächen öffentlicher Einrichtungen sind oft gepflastert oder simpel mit Rasen oder unbelebtem Kies angelegt. Werden sie bepflanzt, so geschieht dies oft mit exotischen Arten, die für die lokale Fauna von geringem Wert sind. Diese Flächen gilt es umzugestalten, um den Tieren Platz in der Siedlung einzuräumen.

Die Schaffung von geeigneten Strukturen im Siedlungsbereich ist jedoch nicht trivial. Blühflächen aus einjährigen Samenmischungen erfreuen sich großer Beliebtheit, sind sie doch einfach in der Umsetzung und durch ihre Attraktivität der Öffentlichkeit leicht vermittelbar. Sie erscheinen als einfaches Mittel, das Insektensterben zu stoppen. Jedoch hat sich gezeigt, dass das aktionistische Anlegen von Blühflächen ohne eine Betrachtung der Region und der örtlichen Gegebenheiten oft keinen nennenswerten positiven Effekt für die Artenvielfalt hat und ihr im schlimmste Fall sogar schadet. Wichtig ist daher die Verwendung von standortangepasstem Saatgut mit regionalen Sorten und eine mehrjährige Bepflanzung, auch mit Stauden und Sträuchern mit unterschiedlichen Blühzeitpunkten. Zusätzlich gilt es, nicht nur an Nektar und Pollen, sondern auch an die Notwendigkeit von Larvenfutterpflanzen zu denken. Ohne sie klafft eine Versorgungslücke im Entwicklungszyklus der Insekten, die die schönsten Blüten nicht schließen können.

Auch die zu bearbeitende Fläche muss genau betrachtet werden. Idealerweise werden asphaltierte Flächen entsiegelt, um Raum für Pflanzungen zu machen. Diese Reduktion der Versiegelung kommt nicht nur der Tierwelt und der Lebensqualität der Anwohner*innen zugute. Als grüne Infrastruktur sind bepflanzte Flächen durch ihre positive Wirkung auf Wasserhaushalt und Temperatur auch ein zentraler Punkt in der Anpassung an den Klimawandel. Geht es um bereits bewachsene Flächen, so ist Umsicht geboten: Oft werden in fehlgeleiteter guter Absicht Flächen umgebrochen, die bereits wertvollen Lebensraum bieten, dem Laienauge jedoch karg und unattraktiv erscheinen, wie beispielsweise Ruderalflächen, Säume oder magere Rasen. Wenn solche Lebensräume zu Gunsten einer schön bunten, jedoch aus Naturschutzsicht fast wertlosen Blühfläche verloren gehen, ist das tragisch. Stattdessen gilt es, diese Flächen durch geeignete Pflege zu erhalten und zu fördern. Wird eine Fläche umgestaltet, so ist es wichtig, eine an Boden und Standort angepasste Bepflanzung zu wählen. So gedeihen die gewünschten Arten gut und geben unerwünschten, leicht zum Wuchern neigenden Arten weniger Chancen sich zu etablieren.

Essentiell ist es auch, das Schaffen von Nahrungsangeboten mit der Schaffung von Verstecken und Nistplätzen in direkter Nachbarschaft zu verbinden. Nur so können die Tiere das Blütenangebot wirklich ausschöpfen. Zum Beispiel für Wildbienen ist es essentiell, dass Nahrungspflanzen und Nistplätze nah beieinander liegen, idealerweise maximal 150 m voneinander entfernt (4). Deswegen sollten Pflanzungen direkt mit der Schaffung von Kleinstrukturen wie Totholz, Asthaufen, Steinhaufen, Steinmauern und offenem Boden (Sand und Lehm) verknüpft werden.

Diese Beobachtungen zeigen, dass es für effektive Verbesserungen einer fachlich kompetenten Planung und Umsetzung der Maßnahmen bedarf. Der erste Schritt ist es aber, die Kommunen von der Umgestaltung zu überzeugen. Dabei ist es wichtig, dass die Flächen wenig Pflegeaufwand verursachen, um einen langfristigen Erhalt durch die Kommunen zu ermöglichen, eventuell sogar mit einer Einsparung von Arbeits- und Energiekosten. Außerdem ist eine solide Öffentlichkeitsarbeit das A und O, damit der „Wildwuchs“ von der Bevölkerung akzeptiert wird.

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